12. März 2020: 32. Verhandlungstag

Die Hauptverhandlung tritt heute in die letzte Phase ein: Die Plädoyers beginnen. Die Generalbundesanwaltschaft sieht ihre Anklage in vollem Umfang bestätigt und fordert für alle Angeklagten Haftstrafen zwischen drei und fünfeinhalb Jahren. Die Nebenklage hebt in ihrem Plädoyer hervor, dass es nicht um die Verurteilung einer Gesinnung, sondern um die Verurteilung konkreter Straftaten geht. Diese Straftaten waren ein Angriff nicht nur auf Einzelne, sondern „auf die gesamte, plurale Gesellschaft“.

Heute beginnen die Plädoyers. Den Anfang macht die Generalbundesanwaltschaft (GBA). Sie stellt gleich zu Beginn klar, dass die Angeklagten „ein extrem rechtes und offen nationalsozialistisches Weltbild“ vertreten würden. Sie hätten „potentiell tödliche Umsturzphantasien“. Laut GBA sei die Initiative dabei von Christian K. ausgegangen. Die restlichen Angeklagten – Martin H., Sten E., Sven We., Marcel Wa., Maximilian V., Christopher Wei. und Tom Wo. – hätten den Einladungstext des Christian K. gekannt. Sie hätten ihn zur Kenntnis genommen und seien damit einverstanden gewesen. Auch wenn die Beschuldigten, die sich zu den Vorwürfen geäußert haben, angegeben hätten, „lediglich geprahlt“ zu haben oder es „nicht ernst gemeint“ haben wollten, ist sich die GBA sicher, dass das Ziel ein „Systemwechsel“ gewesen sei. Dieser sollte durch „bewaffnete und todbringende Aktionen“ zustande kommen. Ein „Bürgerkrieg“, bei dem „Opfer notwendig seien“, sei geplant gewesen. Die Schuld daran, wolle man dann „dem politischen Gegner in die Schuhe schieben“. So sollte erreicht werden, dass Polizei und Bundeswehr sich „dem Putsch anschließen“. Die Beschuldigten bezogen sich positiv auf den NSU und wollten sich scharfe Waffen besorgen. „Nichts kleines, um zum Spaß in die Luft zu schießen“, sondern um „jemanden umzubringen“. Entgegen eigener Angaben sei die Kommunikation untereinander „kein sozialtypisches Verhalten in den Sozialen Medien“ gewesen. So habe man sich gegenseitig menschenverachtende Bilder, Audiodatein geschickt und ganzen Menschengruppen das Existenzrecht abgesprochen, erklärt die GBA.

In der rechtlichen Würdigung verlangte die Genaralbundesanwaltschaft die Verurteilung der Beschuldigten nach §129a StGB als terroristische Vereinigung.  Die liege laut der GBA auch dann vor, „wenn keine Aktivitäten vorhanden sind, keine Straftaten begangen wurden.“ Die Generalbundesanwaltschaft wies darauf hin, dass für die Verurteilung nach §129a die „Konstituierung und Organisierung im Sinne des §129a“ für eine Verurteilung ausreiche. Für die GBA ist Christian K. der Initiator und „Rädelsführer“. Der Beschuldigte Sven We. ist für die  Genaralbundesanwaltschaft voll schuldfähig. Dem Angeklagten Sten  E. attestiert die GBA eine Vernetzung zum Hooliganmilieu und diverse Gewaltstraftaten. Auch Maximilan V. habe ein geschlossenes, extrem rechtes Weltbild und diverse, einschlägige Vorstrafen. Marin H. habe sich als Stichwortgeber des Chats „WSS“ („Wehrsport Sachsen“) hervorgetan und mit der Mobilisierung „seiner Leute“. Der Angeklagte Marcel Wa. gilt der Genaralbundesanwaltschaft als „engster Vertrauter von Christian K.“ und maßgeblicher Mitplaner des sogenannten Probelaufs auf der Schlossteicheinsel. Auch bei ihm sei eine Bindung an das Hooliganmilieu festzustellen. Den Angeklagten Sven We. und Christopher Wei. legt die GBA zur Last, dass sie sich für die Beschaffung der Waffen interessiert haben. Tom Wo., verurteilter Rädelsführer der verbotenen neonazistischen Vereinigung „Sturm 34“, habe sich damit gebrüstet, die gewünschten Waffen besorgen zu können.

Für den Beschuldigten Sten E. fordert die  Genaralbundesanwaltschaft eine Gesamtstrafe von 4 Jahren und 3 Monaten. Für den Angeklagten Martin H. fordert die GBA, entgegen den Ausführungen der Jugendgerichtshilfe, das Erwachsenenstrafrecht anzuwenden. Sie sieht es als erwiesen an, dass Martin H. über eine „entfaltete Biografie verfüge und keine Reiferückstände aufweise.“ Es handele sich laut GBA „nicht um jugendliche Verfehlungen“, denen er sich schuldig gemacht habe. Vielmehr verfüge Martin H. über „ein gefestigtes Weltbild“, welches den Taten zu Grunde lag. Mit Blick auf die einschlägigen Vorstrafen fordere die GBA 4 Jahre und 6 Monate für Martin H. Für den Beschuldigten Maximilian V. sieht die GBA 3 Jahre und 3 Monate als angemessenes Strafmaß. Der Beschuldigte Marcel Wa. soll eine Gesamtstrafe von 4 Jahren und 6 Monaten bekommen und Christopher Wei. 3 Jahre. Für den Angeklagten Sven We. fordert die Genaralbundesanwaltschaft 4 Jahre und 3 Monate. Aufgrund des geringen Umfangs seiner nachzuweisenden Beteiligung fordert die Genaralbundesanwaltschaft trotz seiner juristischen Vorgeschichte 4 Jahre Haft für Tom Wo., den „Rädelsführer“ Christian K. soll der Senat mit einer Gesamtstrafe von 5 Jahren und 6 Monaten bestrafen. 

Die Nebenklage stellte in ihrem Plädoyer keinen konkreten Strafantrag. Die Vertreterin erklärt, dass es darum auch nie gegangen sei. Sie bekräftigt, dass es in dem Prozess, entgegen mancher Stimmen, „nicht um die Verurteilung einer Gesinnung geht, sondern von Straftaten.“ Weiter weist sie darauf hin, dass nicht „einzelne Feindbilder das Ziel waren, sondern die gesamte, pluralistische Gesellschaft.“ Die Nebenklage schließt mit den Worten: „Auch wenn sie glaubten den Volkswillen zu exekutieren, sie sind nicht die Mehrheit der Gesellschaft.“