3. Dezember 2019: 15. Prozesstag

Ein Verteidiger beantragt die Ladung des Präsidenten des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen. Damit sollen mögliche Verwicklungen der Behörden in die Gruppe „Revolution Chemnitz“ geklärt werden. Anschließend werden drei Zeuginnen vernommen. Eine Schülerin berichtet zum Vorfall auf der Schloßteichinsel am 14. September 2018. Zwei Beamten erläutern ihre Auswertetätigkeiten hinsichtlich der Mobiltelefone zweier Angeklagter.

Zu Beginn des heutigen Tages  stellt Rechtsanwalt Heldt ein Antrag, dem sich im Laufe des Prozesstages alle anderen Verteidiger*innen und die Nebenklage anschließen. Es geht um die Ladung von Gordian Meyer-Plath, Präsident des Landesamts für Verfassungsschutz Sachsen. Damit soll geprüft werden, ob es eine Verbindung zur oder gar eine Steuerung durch die Behörde gegeben habe. Zur Begründung verweist der Antragsteller auf einen Briefkontakt zwischen Christian K. und dessen jetziger Ehefrau, beide habe zwischenzeitlich geheiratet, unter Umgehung der üblichen Postkontrolle. Der Vorsitzende Richter sieht keine Notwendigkeit für den Antrag, weil es bereits ein Behördenzeugnis in den Akten gäbe, aus dem hervorgehe, dass es keinen Kontakt zwischen Christian K. und dem Verfassungsschutz mehr gibt. Christian K. habe sich mehrmals als V-Mann angeboten, sei jedoch abgelehnt worden und habe keine relevanten Informationen liefern können. Die Formulierung, so der Verteidiger, halte aber offen, ob es diesen Kontakt wirklich nicht gegeben habe.

Die erste Zeugin des Tages, eine 15-jährige Schülerin, berichtet über den Vorfall auf der Schloßteichinsel. Sie habe sich auf der Schloßteichinsel mit ihrem Ex-Freund und sechs, sieben Freunden, die gebürtige Iraner sind, zum Grillen getroffen. In den Büschen habe sie gesehen, dass sich eine größere Gruppe gesammelt hat. Diese, bis auf einen, dunkel gekleideten Männer, seien dann in ihre Richtung gekommen. Auf dem Weg habe es Meinungsverschiedenheiten mit einer anderen Gruppe Jugendlicher gegeben. Die Zeugin habe aber nicht verstehen können, worum es dabei ging. Die Jugendlichen seien weggelaufen. Sie habendie andere Gruppe sei nun auch schneller in ihre Richtung gekommen. Sie habe sich im Kreis um sie und ihre Freunde gestellt. Die Situation habe bedrohlich gewirkt und die Zeugin habe in die Runde gefragt, was sie denn gemacht haben sollen. An weitere Gesprächsfetzen könne sie sich nicht erinnern. Eine Person habe sie über eine Lichtbildmappe identifiziert, jemanden, den sie vom Sehen her kenne, der sei „immer mal betrunken in der Innenstadt“.

Sie habe wahrgenommen, dass einige der Personen schwarze Handschuhe getragen haben, aber keine Messer oder andere Waffen. Der Vorsitzende fragt nach, ob ihre Freunde aufgrund ihrer Herkunft zu „Dramatik“ neigen. Das wird als Ressentiments kritisiert. Er tut das aber mit seiner „Erfahrung“ ab: „Bei südländischen Typen werden Geschichten eher ausgeschmückt“, behauptet er. Die Zeugin entgegnet, dass bereits Alkohol getrunken worden sei und angetrunken gewesen seien. Dann habe sie gehört, dass Glas zerbrochen sei und habe gesehen, dass einer ihrer Freunde am Kopf verletzt war. Als die Polizei gekommen sei, seien die Männer weggelaufen und einige aus ihrer Gruppe hätten sich dann „groß gefühlt“ und seien hinterher gelaufen. Wann und weie genau der Freund verletzt wurde, das habe sie nicht gesehen. Als sie nach dem Eintreffen der Polizei ihre Sachen am Grillplatz abholten, habe sie gesehen, dass eine der Vodkaflaschen zu Bruch gegangen war. Sie wisse aber nicht, wann und wobei das geschehen ist. Sicher sei aber, dass die Flasche vor der Auseinandersetzung noch ganz war. Geschubse oder Geprügel habe sie an dem Abend nicht gesehen hatte, generell keinen tätlichen Angriff.

Danach folgt die Aussage der Polizeibeamtin B., die das Mobiltelefon von Christopher Wei. ausgewertet hat. Die Beamtin berichtet, dass sie den Einzelchat zwischen Christopher Wei. und Christian K. als wichtig eingestuft habe. Seit August 2018 sei darin viel über die Demonstrationen und Verabredungen zu Treffen gechattet worden. Außerdem seien Flyer geteilt worden. Bis zum 10. September 2018 sei dieser WhatsApp-Chat genutzt worden, dann sei der Wechsel zu Telegram erfolgt. Die Sprachnachrichten habe sie verschriftlicht und den Akten hinzugefügt. Sie sind Bestandteil des Selbstleseverfahren. Interessanterweise sei in dem Chat besprochen worden, dass die Informationen über persönliche Treffen nur über WhatsApp geteilt werden sollen.  Die Polizei, so die Beamtin über die Nachricht, könne die Chats durch TKÜ nicht auswerten. Christopher Wei. habe geschrieben, er wisse das aus seiner Haftzeit in Dresden, wo ausschließlich Anrufprotokolle und SMS ausgewertet worden seien. Das Hintergrundbild von Christopher Wei.s Handy zu diesem Chat sei ein Moped gewesen, bei dem teilweise das Nummernschild „C-18“ zu erkennen gewesen sei.

Die Beamtin habe weiterhin dem Einzelchat zwischen Christopher Wei. und Tom Wo. ausgewertet. Zwischen Anfang 2017 und 9. September 2018 hätten sie sich regelmäßig, aber mit größeren Zeitabständen alle 2 bis 3 Monate zu Treffen verabredet. Beide hätten als Begrüßung und Verabschiedung die Zahl 88 verwendet. Die Ermittlerin habe keine Informationen oder Einladungen von Christopher Wei. in neue Chats gefunden und auch keine Nachrichten über die Telegram-Gruppe „Revolution Chemnitz“. Sie schätzt Christopher Wei. nicht als Führungsperson ein. Er habe ähnlich rege an Chats teilgenommen, wie die anderen Mitglieder auch. 

Die zweite Polizistin Marie D. hat den Extraktionsbericht zur Auswertung von Marcel Wa. Handy geschrieben. Durch die Daten, die auf der SIM-Karte sichergestellt wurden, habe ihm das Handy eindeutig zugeordnet werden können. Die Anrufprotokolle von 1. bis 14. September 2018 seien dem Bericht hinzugefügt worden. Am 14. September habe er mehrmals am Nachmittag mit Christian K., eingespeichert als „K. Hase“ telefoniert. Weiterhin sei Musik sichergestellt worden, die ausschließlich rechtsextreme Inhalte hatte. Teilweise seien Interpreten und Songs mit Hilfe von Datenbanken überprüft worden, dabei habe sie festgestellt, dass einige davon indizierte seien. Sprachnachrichten von WhatsApp und Telegram waren ebenfalls auf dem Handy gespeichert gewesen. Bei den Verschriftlichungen habe es zum Teil Auslassungen gegeben, die durch „…“ gekennzeichnet wurden, wenn die Thematik privat und nicht mehr relevant gewesen sei. Einige Chats seien als relevant eingestuft und im Bericht aufgeführt worden. Es handele sich um die Einzelchats mit Christian K., einem ‚Ronny‘ und ‚Cindy Schloßviertel‘. Mit letztgenannter Person sei es beispielsweise darum gegangen, dass am 14. September 2018 Dinge bei Ihr deponiert werden sollten. Weiterhin sei der Gruppenchat „Planung zur Revolution“ ausgewertet worden, in den er von Marcel Wa. von Christian K. eingeladen worden sei. In einem weiteren Extraktionsbericht sei außerdem ein weiterer Gruppenchat mit dem Namen „Reisegruppe National“ ausgewertet worden, darüber habe die Zeugin aber keine näheren Informationen. Die sichergestellten Bilder seien CD-Cover, Bilder aus dem Freundeskreis und Flyer mit teils rechtsextremen Inhalt. Videos, die das Demogeschehen zeigen und rechtsextreme Inhalte zeigen, habe sie ebenfalls dem Bericht hinzugefügt.