Die holprige und widersprüchliche Einlassung von Sten E. wird heute fortgesetzt. Das Gericht hält dem Angeklagten mehrfach Ausschnitte aus dem Chat vor, in der der Angeklagte das Gegenteil von dem geschrieben hat, was er jetzt vor Gericht behauptet. Eine schlüssige Erklärung dafür kann Sten E. nicht liefern. Anschließend berichtet ein LKA-Ermittler über die Auswertung eines Mobiltelefons von Christian K. Die Inhalte auf dem Telefon untermauern die neonazistische Gesinnung des Beschuldigten.
Der heutige Tag beginnt mit der Fortsetzung der Einlassung des Angeklagten Sten E., diese bleibt widersprüchlich. Er sagt etwa, dass er Dinge im Chat häufig überlesen habe. Im Chat habe er es genau entgegengesetzt geschrieben, hält ihm das Gericht vor.Sten E. erklärt, dass er dort vieles übertrieben und teilweise erfunden habe. Zur Aktion in Berlin am 3. Oktober habe er nicht mit gewollt, weil es ihm zu weit gewesen sei und er keine Lust verspprt habe. Er habe ein Treffen mit seiner Freundin als Ausrede genutzt. An das „Rock gegen Rechts“-Konzert, zu dem er sich mit Christan K. treffen wollte, könne er sich nicht erinnern. Er erklärt, dass er nicht wirklich Spaß an Schlägereien habe, nur nicht als Feigling dastehen wolle. Ihm wird ein Einzelchat mit Christian K. vorgehalten. Der schreibt dort: „Diesmal wird‘s nicht nur Labomba geben.“ Sten E. habe geantwortet: „Bring auch noch was mit.“ Christian K. habe auch von einer „Systemwende“ geschrieben, dass eine Revolution Opfer fordere und, dass bei einem „zweiten G20 die Bullen zu 88,88% auf unserer Seite stehen“. Sten E. erklärt, er habe das nicht verstanden und auch nicht nachgefragt, was das zu bedeuten solle. Seine Position sei nicht führend gewesen. Seine Einstellung sei seiner Meinung nach nur „leicht rechts“ gewesen.
Christian K. kenne er seit vier, fünf Jahren, sie hätten sich aber so gut wie nie getroffen. Sten E. meint, dass sich Christian K., genau wie alle anderen aus dem Umkreis, die er kenne, nur melden würden, wenn sie etwas wollen. In deren Einzelchat bezeichnet Christian K. ihn als „seinen Nachwuchs“, woraufhin Sten E. sehr geschmeichelt reagiert habe. Der Chat-Vorhalt macht deutlich, dass die beiden eine engere, vertrauliche Beziehung haben, da Christian K. vor ihm auch häufig über intime Details, wie seine Wünsche und Vorstellungen gesprochen habe. Sie hätten oft auch Dinge beredet, „die bitte unter uns bleiben“. Im Chat spricht Sten E. hin und wieder von seinen Kontakten zur Hooligan-Szene, beispielsweise nach Magdeburg, Halle, Dresden und Polen. In den Chats zeigte er sich begeistert vom Zusammenhalt der Hooligan-Gruppen.
Die Spitzelgerüchte über Christian K. habe er in diesem Verfahren das erste Mal gehört, erklärt Sten E. und er wisse auch nicht, wieso Christian K. in Haft war und wie seine finanzielle Situation aussehe. Er sagt nur, dass Christian K. nicht gearbeitet habe. Hinter Christian K.s Nachricht über „Leute in Berlin, die abgesetzt werden müssen“ sehe er keine Tötungsabsicht. In diesem privaten Chat sei dann auch von „Kniften“ die Rede, außerdem heißt es, „da laufe eine Bestellung ohne Namen“ und „nur über uns“. Sten E. reagiert ausweichend und sprachlos auf diese Vorhalte und sagt dann plötzlich: „Damit meine ich keine Waffen oder so.“ Er könne aber auch nicht sagen, was damit er selbst damit gemeint habe. Laut Recherche der Bundesstaatsanwaltschaft und Nebenklage wird das Wort ‚Knieften‘ umgangssprachlich auch für Waffen verwendet.
Sten E. gibt an, dass er nur bei der ersten und der dritten Demonstration im Tatzeitraum gewesen sei. Bei der ersten sei er nicht mit den Kontakten aus dem Chat dagewesen. Da sei es „ein bisschen eskaliert“ und eine „Horde rannte durch die Polizeisperrung“. Im Nachgang habe er im Gruppenchat geschrieben, dass er „Ausländer mit Messer“ gesehen habe, die „geklatscht werden müssen“. Er sagt jetzt, das sei nie passiert und er hat nur „dumm gequatscht.“ Leute dazuzugewinnen sei eine allgemeine Aufgabe der Chat-Mitglieder gewesen. Beispielsweise habe Christian K. ihn direkt nach Kontakten zum „Jungsturm Elbflorenz“ gefragt, er wisse aber nicht wie Christian K. darauf gekommen sei und habe auch keine Kontakte dorthin. Am Abend des 12. September habe Sten E. noch in der Gruppe geschrieben, dass er mindestens „zehn Mann“ habe. Dies sei ironisch gemeint gewesen, so seine Erklärung heute. Christian K. habe sich die Leute auch persönlich anschauen wollen, die mit in die Gruppe geholt werden sollen. Tom Wo. kenne er aus den Medien, durch seine Zeit bei „Sturm 34“. In seiner Aussage bei der Polizei sei er verwirrt von der Situation gewesen und habe deshalb angegeben, dass er ihn persönlich kenne.Namen und Szenevorbilder könne er leider nicht nennen und versucht dieser Frage auszuweichen.Mit „Sturm 34“ habe er sich nicht wirklich befasst.
Zum 14. September 2018 habe er bei der Polizei noch ausgesagt, dass sie alle gemeinsam in Richtung Schloßteich gegangen seien, so ein Vorhalt. Dann hätten sie sich auf dem Weg an der Theaterstraße in zwei Gruppen getrennt, immer noch mit dem Ziel Schloßteich. Jetzt behauptet er, dass es gar nicht geplant gewesen sei, dahin zu gehen. Er habe auf dem Schloßteich die Ausweiskontrollen mit Peter R. und einer weiteren Person, die er vom Sehen kannte, initiiert. Er sagt weiter, dass das nur so daher gesagt gewesen sei und ihm niemand etwas gezeigt habe. Wieso er das gemacht habe, wisse er nicht. Er habe nur in eine Tasche einer Person hineingeschaut, weil er dachte, diese habe Drogen konsumiert. Als Christian K. mit der zweiten Gruppe in einer führenden Position herumschreiend angelaufen gekommen sei, wären „alle geschlossen zu der Gruppe Ausländer gerannt und haben sie eingekreist“.
Um Sten E. näher einzuschätzen, geht das Gericht noch auf die Auswertung seines Handys ein. Er habe viele Bilder gespeichert, auf denen zu Gewalttaten aufgerufen und der Nationalsozialismus verherrlicht werde. Beispielsweise eines mit der Bildaufschrift: „Im Wald hört die Zecken niemand schreien“, oder ein anderes mit der Losung „Getreu dem Glauben unserer Väter“ vor der Karte des „großdeutschen Reiches.“ Weiterhin habe es Bilder von Combat 18, Skrewdriver und ähnlichen Inhalten gegeben. Es sei auch ein Flyer von einem geheimen Konzert mit Kategorie C und Nahkampf am 17. Juni 2017 in Eisenach gefunden worden, den er wohl über WhatsApp geschickt bekommen hat.
Im Anschluss folgt die Aussage von Christian M., der als Kriminaloberkommissar beim LKA Sachsen arbeitet. Es geht um ein Smartphone, dass bei Marcel Wa. sichergestellt wurde und durch die gefundenen Nutzerkonten Christian K. zugeordnet werden konnte. Der Beamte berichtet, dass dieses Handy vom 23. September 2016 bis 27. Juli 2017 in Betrieb gewesen sei. In der Kontaktliste seien fünf der acht Mitglieder aus dem „Revolution Chemnitz“-Chat zu finden: Tom Wo., Marcel Wa., Sven We., Christopher Wei. und Maximilian V. Sie seien über Spitznamen oder Nummernabfragen zugeordnet worden.
Insgesamt seien auf dem Telefon 13.000 Bilddateien gefunden worden, diese hatten überwiegend einen rechtsgerichteten Kontext, wie Hakenkreuze oder SS-Runen. Einige Bilder mit rechtsgerichteten Inhalten seien selbst erstellt worden, teilweise mit dem Slogan „Revolution Chemnitz“. Marcel Wa. und Maximilian V. seien auf Fotos zu finden gewesen und es zeige sich ein enger freundschaftlicher Kontakt zwischen den Dreien. Darüberhinaus habe es CD-Cover rechtsgerichteter Bands, wie Landser und Blitzkrieg, gegeben, weiterhin Bilder von Handfeuerwaffen, Christian K. mit Schlag- und Schutzbewaffnung und Christian K. und Marcel Wa. posierend mit Baseballschlägern. Die Audiodateien seien großteils Musikdateien rechter Bands gewesen. Der Ermittler habe zudem Videoaufnahmen von Szenen aus Fußballstadien, Konzertmitschnitte, z.B. von Blitzkrieg und NS-Propagandavideos gefunden, die vorrangig die Verherrlichung von Kriegshandlungen gezeigt hätten.
Es habe Chats
zwischen Christian K. und Christopher Wei. gegeben und auch zwischen
Christian K. und Sven We., die nichts verfahrensrelevantes beinhaltet
hätten, aber zeigen würden, dass sie schon in diesem Zeitraum Kontakt
hatten.
In dem Chat mit Marcel Wa. gehe es auch schon um gemeinsame
Straftaten, wie beispielsweise einen gemeinsamen Hitlergruß bei einem
Konzert. Der Gruppenchat „Reisegruppe National“ sei in einem
gesonderten Extraktionsbericht, ausgewertet worden. Hierbei sei es um
die Organisation von Konzertbesuchen und nicht um Gewaltbereitschaft
gegangen. Der Chat sei am 16. Juli 2017 von Michael Z. gegründet worden.
Weitere Mitglieder seien Marcel Wa. und Maximilian V. gewesen. Es seien
auch Chats mit Betäubungsmittel-Bezug auf Christian K.s Handy gefunden
worden. In einem zeitlichen Rahmen habe er an mehrere Kontakte die
Nachricht „1K gemütlich für 4500“ geschickt, womit wahrscheinlich
Marihuana im Wert von 4500 Euro gemeint gewesen sei. Es gäbe in dem
Bezug ein weiteres Verfahren gegen Christian K., zum Stand dort habe der
Beamte aber keine Kenntnis. Im Vorlauf dieser Nachricht sei nichts
gefunden worden, was Aufschluss über die Herkunft liefern könne.